Seit Februar 2019 gelten in der EU sogenannte Safeguards zum Schutz der europäischen Stahlhersteller vor den Auswirkungen von Billigimporten. In den Jahren vor 2019 ist weltweit die Produktionsmenge an Stahl kontinuierlich gestiegen und drängte mit Dumpingpreisen auf den Markt. Die USA haben daher 2018 mit der Verhängung von Strafzöllen auf Stahlimporte auf diese Situation reagiert. Das hat die Lage in Europa noch verschärft. Denn nun wurde Stahl, der in den USA aufgrund der Zölle nicht mehr abgesetzt werden konnte, zu konkurrenzlos günstigen Preisen in der EU angeboten.

Deshalb hat die EU-Kommission die Safeguards zum Schutz der innergemeinschaftlichen Stahlindustrie eingeführt. In diesen Festlegungen werden den außergemeinschaftlichen Stahlanbietern zollfreie Kontingente zum Absatz in der EU zugebilligt. Was darüber hinausgeht, wird mit Zoll in Höhe von 25% belegt.

Nach Beginn der Corona-Krise ist jedoch die Nachfrage nach Stahl um etwa 50% eingebrochen. Notgedrungen haben die Stahlhersteller mit einiger Verzögerung reagiert und ihre Produktionskapazitäten heruntergefahren. Das gilt für Deutschland, aber auch weltweit.

Im laufenden Jahr 2021 hat sich die Situation völlig gewandelt. Die Nachfrage hat wieder angezogen und stößt nun aber auf einen leergefegten Markt. Die europäischen Stahlhersteller sind nicht in der Lage, die Nachfrage zu decken. Auch weltweit ist das Angebot knapp und dadurch sehr teuer. Die immer noch geltenden Safeguards behindern Importe zusätzlich.

Die stahlverarbeitenden Unternehmen in Deutschland, ein Industriesegment mit rund 500.000 Beschäftigten, leiden nicht nur unter den aktuell hohen Einkaufspreisen bei ihrem wichtigsten Rohstoff. Auch Lieferverzögerungen von bis zu 6 Monaten und Liefermengenbegrenzungen machen Probleme. Vielen Unternehmen drohen bereits Produktionsstopps infolge fehlenden Materials.

Obwohl also von einer „importbedingten Bedrohung der EU“ bei Stahl keine Rede sein kann, prüft die EU-Kommission derzeit auf Initiative von zwölf Wirtschaftsministerien inklusive Deutschland die Fortführung der im Juni 2021 auslaufenden Schutzmaßnahmen. Dagegen laufen die Verbände der stahlverarbeitenden Industrie Sturm.

Der Industrieverband Blechumformung e.V. (IBU) und die Fachvereinigung Kaltwalzwerke e.V. (FVK) haben eine gemeinsame Stellungnahme an die EU-Kommission gerichtet und sprechen sich gegen die Verlängerung aus. Ihrer Überzeugung nach fehlen hinreichende Belege für die Notwendigkeit einer Verlängerung und Ausweitung der Safeguards. Insbesondere bemängeln sie, dass bisher nur 4 von 26 Produktkategorien für eine eventuelle Begründung einer schutzwürdigen Situation herangezogen wurden. Und sie fordern eine objektive und umfassende Beurteilung der Stahlmarktsituation in Deutschland, der EU sowie weltweit.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat das Schreiben der beiden Verbände zur Prüfung an die Fachabteilungen weitergeleitet. Allerdings befürchtet der Geschäftsführer des IBU, Herr Bernhard Jacobs, dass den stahlverarbeitenden Unternehmen aufgrund der jetzt schon bestehenden Materialengpässe die Zeit wegläuft, während in Brüssel und Berlin die Faktenlage geprüft wird. Es bleibt zu hoffen, dass durch die zuständigen Stellen möglichst bald Entscheidungen getroffen werden, die sowohl die Interessen der Stahlhersteller als auch der verarbeitenden Industrie berücksichtigen. Das gilt umso mehr, da beide Industriezweige eng verzahnt und gegenseitig aufeinander angewiesen sind.

Auch der HFL e.V. bereitet ein entsprechendes Schreiben an die EU-Kommission vor.